Neuer Bierschädling Lactobacillus acetotolerans?

Lactobacillus acetotolerans wurde nicht als Bierschädling betrachtet, bis es zur ersten Rückrufaktion wegen kontaminiertem Bier kam. Bei PIKA Weihenstephan hatten wir den ersten Fall einer Kontamination mit L. acetotolerans im Spätsommer 2004 in einer bayerischen Brauerei: Symptome der Kontamination waren extrem niedriger pH Wert und Trübung in einigen Flaschen – die ersten Verbraucher Reklamationen kamen erst, als das Bier bereits einige Monate am Markt war. Die Stufenkontrolle war unauffällig, und nicht die ganze Charge war betroffen. In den letzten Jahren ist dasselbe Problem in einigen amerikanischen Brauereien aufgetreten, und die Lösung ist noch genauso schwierig wie vor fast 20 Jahren.


Die Problemstellung

Neben dem verdorbenen Bier war damals das Problem der deutschen Brauerei, dass L. acetotolerans bis dahin nicht einmal in der Liste der Bierschädlinge enthalten war. Zuerst mussten die Bakterien identifiziert werden, um zu wissen, mit was man es eigentlich zu tun hatte. Wir konnten aus einer kontaminierten Flasche eine extrem langsam wachsende Lactobacillus Art isolieren, die anschließend mittels DNA Sequenzierung als Lactobacillus acetotolerans identifiziert wurde. Dieses Bakterium war sehr empfindlich für Sauerstoff; L. acetotolerans verträgt außerdem relativ hohe Alkoholkonzentrationen. Die Stammbeschreibung von Lactobacillus acetotolerans gibt folgende Informationen: Fakultativ anaerob, Wachstum allgemein bei pH 3,3 bis 6,6 und zwischen 23 und 40 °C, kein Wachstum bei 15 °C. Das Bakterium ist resistent gegenüber 4 bis 5% bzw. 9 bis 11% Essigsäure bei pH 3,5 bzw. 5,0.


Lösungsansätze

Um L. acetotolerans im Brauereibetrieb nachzuweisen, mussten die Beprobungs- und Anreicherungsmethoden in der Brauerei umgestellt werden, da dieses Bakterium nicht nur sehr langsam wächst sondern auch sehr anspruchsvoll bezüglich der Nährstoffe ist. Mit einer sauerstoffarmen Anreicherung in FastOrange® B Bouillon und anschließender L. acetotolerans spezifischer PCR Analytik konnte die Brauerei die wahrscheinlichste Ursache der Kontamination ausmachen: Es war die Region, in der die Tankwagen das Bier laden – Spülwasser aus einem der leeren Tanks ergab ein positives Signal für L. acetotolerans. Der Rückschluss war, dass die Tanks nicht ausreichend gereinigt wurden und L. acetotolerans bereits an Bord war, als diese mit Bier befüllt wurden. Diese Konstellation war wohl ganzjährig vorhanden, birgt aber in den warmen Monaten ein höheres Risikopotenzial, wenn bereits kurze Zeiten auf dem Tankwagen zu einer ausreichend hohen Bakterienkonzentration führen, um sich bierschädlich auszuwirken.

Interessanterweise existiert kaum Literatur über Lactobacillus acetotolerans. Einige Publikationen beschreiben L. acetotolerans als eine der dominanten Milchsäurebakterien Arten in traditionellen Fermentationen, z.B. bei der Herstellung von Spirituosen aus fermentiertem Getreide (Luzhou Schnaps, über 50% Alkohol) sowie in natürlichen Fermentationen von Sauerteig (Mantou) und Sezuan Sauerkonserven, alle aus China, sowie bei einer Fermentation von Bambussprossen in Nordost Indien, bei der traditionellen Fermentation eines Fisch-Reisgerichts (Narezushi) in Japan sowie als Kontamination einer Hefe, die in Brasilien zur Herstellung von Spirituosen (Cachaça) verwendet wird.

Die Spezies Lactobacillus acetotolerans wird allgemein nur dann als Teil der Mikroflora in den verschiedensten Fermentationsprozessen entdeckt, wenn die Analytik auf nicht-kulturellen Methoden basiert. Anscheinend versagt die Detektion von L. acetotolerans meistens bei den Methoden, die eine Anzucht der Bakterien vor deren Identifizierung erfordern.

Diese Beobachtung unterstützt unsere These, dass die Probenahme und die Probenverarbeitung die größte Herausforderung beim Nachweis von L. acetotolerans sind.

Für den Nachweis von Lactobacillus acetotolerans ist es grundsätzlich wichtig, von Beginn an in Sauerstoff armer Atmosphäre zu arbeiten, was bereits die Probenahme einschließt. Die einfachste Methode zur Untersuchung von flüssigen Proben auf anaerobe Bakterien ist die Probenahme direkt in ein mit Flüssigmedium vorbefülltes Inkubationsgefäß, das mit der Probe randvoll aufgefüllt wird. Dieser Laktobazillus vermehrt sich extrem langsam. Oft dauert es 2-3 Wochen, bis L. acetotolerans in der Anreicherung sichtbar wird, und dann oft nur als winziger Bodensatz am Boden des Gefäßes (im Bild rechtes Röhrchen: L. acetotolerans nach 10 Tagen Inkubation in FastOrange® B Tube).

Wenn Wischproben genommen werden, sollte man immer im Kopf haben, dass ein trockenes Wattestäbchen oder Schwämmchen voller Luft und somit logischerweise voll Sauerstoff ist. Daher ist es unbedingt notwendig, Tupferproben zum Nachweis von anaeroben Bakterien ausschließlich mit nassen Wattestäbchen zu nehmen und den Tupfer anschließend sofort in Flüssigmedium einzutauchen.

Unsere Best Practices Methode zum Nachweis von anaeroben Bierschädlingen finden Sie hier.